Der Hype um die Künstliche Intelligenz scheint keine Grenzen zu kennen. Forschungsprogramme, Tagungen, ganze Landstriche und Talschaften (neudeutsch Valleys), die sich dem Thema widmen. Da wird geklotzt, nicht gekleckert.
Ganz ehrlich: Ich habe nicht genau verstanden, was sich hinter der aktuellen – und akuten – Modewelle verbirgt. Manchmal drängt sich die Vermutung auf, dass hier ältlicher Wein (i.e. Essig) in neuem und teurem Kristall serviert wird.
Tatsächlich erinnere ich mich aus eigenem Erleben an einen früheren, ähnlichen Hype, der damals allerdings noch nicht so hieß. In den 1980er Jahren lagen so genannte „Expertensysteme“ im Trend. Auf Basis formal- und prädikatenlogischer Terme (heute Algorithmen) wurde vermeintliches Expertenwissen modelliert. Die Verheißung war, diese wissensbasierten Systeme zu einer Künstlichen Intelligenz auszubauen, für die es sogar eigene Programmiersprachen gab. Lange nichts mehr davon gehört.
Im gleichen Jahrzehnt ging es in der Sprachwissenschaft unter anderem darum, so genannte „Generative Grammatiken“ zu entwickeln. Mit dem erklärten Ziel, eines Tages eine für alle natürlichen Sprachen geltende „Universalgrammatik“ zu besitzen. Diese Grammatik sollte Grundlage sein für eine Übersetzungsmaschine, in die von der EU (damals EG) viel Geld investiert wurde. Um für die manuellen Übersetzungen in jeweils alle Mitgliedssprachen noch mehr Geld zu sparen. Auf dem Wege des „Parsing“ sollte aus jeder Einzelsprache in eine Meta- oder Universalsprache hinein- und aus dieser wieder in alle Einzelsprachen zurückübersetzt (die Sprachen also generiert) werden. Auch davon habe ich seit damals nichts mehr gehört, obwohl auch daran das Etikett „KI“ klebte.
Umso mehr hört und sieht man von den modernen Übersetzungstools, die nicht nur funktionieren, sondern meist auch kostenlos sind.
Manchmal kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, dass dabei nicht die Künstliche Intelligenz Pate stand, sondern das Mooresche Gesetz. Soweit bekannt, basieren die praktischen Tools vor allem auf leistungsfähigen Prozessoren, Mustervergleichen und Big Data. Die Daten werden von Internet- und Social Media-Nutzern spendiert, die Algorithmen sind keine Rocket-Science, und die Hardware ist eben da. Künstliche Intelligenz? Ich weiß nicht so recht…
Aus diesen kurz skizzierten (Lebens-) Erfahrungen heraus betrachte ich die Verheißungen, was KI demnächst bewirken wird, mit einer gewissen Skepsis. Die berühmten KI-Spionage-Algorithmen eines bekannten Internet-Buchhändlers jedenfalls taugen wenig bis nichts. In aller Bescheidenheit: Ich habe einen eher ausgefallenen Lesegeschmack, den ich mit antiquarischen Büchern und eBooks befriedige, oftmals über die besagte, weltweite Plattform bestellt.
Dem merkwürdigen Service-Verständnis des 21. Jahrhunderts gemäß werde ich für meine nicht unerheblichen Ausgaben mit ständigen Buchempfehlungen (lies: Werbung) belohnt. Ganz ehrlich: Ich habe noch kein einziges der dort gepriesenen Werke bestellt. Die KI-Algorithmen raten mir ausnahmslos zu Mainstreambüchern aus Bestsellerlisten und literarischen Gruselkabinetten. Meine Angst, eines Tages von diesen Algorithmen ausspioniert und manipuliert zu werden, hält sich deshalb in überschaubaren Grenzen.
Fazit: Man sollte schnelles Rechnen nicht mit Intelligenz verwechseln. 😉