Was eine Online-Veranstaltung so alles bewirken kann. Ich jedenfalls stehe noch immer unter dem Eindruck eines Treffens der „Smart Innovation Community“, das ich unlängst virtuell besucht habe. Das Thema: „ChatGPT & Co. im Innovationsmanagement – Chancen und Potenziale generativer KI“.
Gezeigt wurde, was generative KI und ChatGPT so alles können. Sie können ziemlich viel. Das wiederum hat Erinnerungen an die Lektüre zweier Bücher geweckt, die ich hier empfehlen möchte.
„Darwin im Reich der Maschinen“ von George B. Dyson befasst sich mit der „Evolution der globalen Intelligenz“ (Springer). Das Buch ist 1997 erschienen, der Autor kann also noch nichts von ChatGPT gewusst haben. Gänsehaut kann man beim Lesen trotzdem bekommen, nicht nur als Verleger. Zitat: „Beim Spiel von Leben und Evolution sitzen drei Spieler am Tisch: Menschen, die Natur und Maschinen. Ich bin entschieden auf der Seite der Natur. Die Natur, vermute ich, ist aber auf der Seite der Maschinen“ (Dyson 1997, Seite V.).
Der Autor entwickelt eine Dystopie von der schrittweisen Übernahme der Weltherrschaft durch eine intelligent gewordene Maschine, die er als Leviathan bezeichnet. Womit er sich auf ein zweites Buch bezieht: „Leviathan“ von Thomas Hobbes, im Original 1651, als eBook bei Studium Publishing 2018 erschienen. Laut Dyson ist Hobbes Leviathan „ein diffuser, verteilter, künstlicher Organismus, wie er eher die Technologien und Rechnerarchitekturen des nahenden einundzwanzigsten Jahrhunderts kennzeichnet“ (ebd., Seite 2). Gemeint: Das Internet.
Nun mag man einwenden, dass dies doch reichlich übertrieben sei und auch die inzwischen weit verbreitete generative KI nur ein Werkzeug in den Händen des Menschen, das Internet nichts als eine technische Infrastruktur zum weltweiten Austausch von Daten. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Dyson recht hat oder die KI-Ultras, gebe aber zu bedenken, dass die Abhängigkeit der Menschheit vom Internet doch ziemlich groß geworden ist. Der Leviathan macht sich nützlich und wird dafür mit Energie und Daten gefüttert. Das macht ihn vital und gescheit. Trotzdem fordert er weitere Opfer. Bereitwillig opfern wir ihm das Wertvollste, was wir besitzen: Zeit. Hoffentlich werden uns Dienstbarkeit und kultische Verehrung vergolten, wenn der Leviathan einmal über unser Schicksal entscheidet.
Das ist übertrieben? Nun, wir können ja die Probe aufs Exempel machen und dem Leviathan den Stecker ziehen, das Internet abschalten. Und sehen, was dann passiert…
P.S. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Leviathan im Alten Testament, Buch Hiob. Wo sonst?