Einen immer noch – und immer wieder – spannenden Lesestoff bietet das Buch von Taiichi Ohno über das Toyota Production System (TPS). Untertitel: Beyond Large-Scale Production. Das wird noch wichtig werden.
Was ist an diesem 1988 erschienenen Buch auch heute, 36 Jahre später, noch so besonders? Nun:
Erstens stellt es die Entwicklung des TPS in einen größeren Zusammenhang. Gemeint ist das Ende der Massenproduktion nach dem Vorbild Henry Fords. Diese Ära endete mit der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs und mündete in das Zeitalter der kleineren Stückzahlen, der Nachfrage-Orientierung, anhaltend schwacher Wachstumsraten. Dieses Zeitalter hält bis zum heutigen Tage an, zumindest in den meisten Märkten.
Zweitens wird bereits im Vorwort des Buches darauf verwiesen, dass das wichtigste Ziel des TPS darin besteht, die Produktivität (production efficiency) zu steigern, indem konsequent und sorgfältig Verschwendung (waste) beseitigt wird. Wir bleiben bei der nicht unumstrittenen deutschen Übersetzung dessen, was auch mit „Abfall“ zu übersetzen wäre.
Drittens schließlich – und das ist hier der entscheidende Punkt – wird auf den wissenschaftlichen Ansatz (scientific approach) verwiesen, der dem System zugrunde liegt.
Warum ist dieser Punkt so wichtig?
Antwort: Wissenschaft ist, im Gegensatz zu Religion, kein Dogma. Oder sollte es zumindest nicht sein. Vielmehr ist Wissenschaft laut Thomas S. Kuhn durch Paradigmen geprägt, deren Gültigkeit endlich sein kann. In dem Maße, in dem sich das Umfeld ändert, müssen sich wissenschaftliche Systeme verändern, wenn sie weiter gelten sollen.
Überspitzt gesagt: Was heute Verschwendung ist, kann schon morgen keine mehr sein. Im Kontext einer marktseitigen Mangellage an bestimmten Produkten kann Massenproduktion wieder zum gültigen Paradigma mutieren.
Als schlimmste Art von Verschwendung gilt im Lean-Kontext die Überproduktion. Das gilt „Beyond Large-Scale Production“, wie gesagt. „Inside Large-Scale Production“ jedoch, wenn die zuverlässige, massenhafte Versorgung von Märkten zum wichtigsten Erfolgsfaktor wird, kann sich dieses Blatt wenden. Dann wäre das Warten auf Produkte, die mangelnde Versorgung der massenhaften Bedarfe, das größere Übel. Der schlimmere „Waste“.
Wohl dem, der dann ein gut gefülltes Lager hat. Gefüllt mit Serum, zum Beispiel.
Wenn das TPS, wie Taiichi Ohno schreibt, wissenschaftlich fundiert ist, wird es dieser Logik folgen können. Muda müsste neu definiert, die Methoden neu justiert werden. Dann gälte wieder „Push“ statt „Pull“. Zumindest temporär, bis wieder ein Paradigmenwechsel kommt.
Dies nur so, als Denkanstoß für Dogmatiker.