Innovation heute: Ein Ökosystem wird gebaut

Innovation ist ein schwieriges, vielschichtiges Thema. Ein Thema, das Bibliotheken und Festplatten gleichermaßen füllt. Manchmal ist es von Nutzen, sich einem solchen Thema auf dem Weg historischer Betrachtung zu nähern.

Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts fanden vielerorts technologische Umbrüche statt, die bis in die Gegenwart wirken. Ein innovativer Hotspot war Lyon, Frankreich. Dort befand sich das Zentrum der französischen Seidenweberei und dort wurde 1752 Joseph-Marie Jacquard geboren. Dieser erfand die binäre Steuerung mittels Lochkarten nach dem Endlosprinzip. Die Lochkarte ersetzte an einem mechanischen Webstuhl die bis dato für die Erzeugung von Mustern verwendete Nockenwalze. Das wesentliche Prinzip der Lochkarte bestand darin, automatisch komplexe Muster zu weben, die auf der Abfolge der Werte „Loch“ (0) und „kein Loch“ (1) basierten. Digitalisierung ohne Strom, sozusagen. Den technisch perfekten Webmustern lagen Programme oder Algorithmen zugrunde, die für einen Paradigmenwechsel im Textilgewerbe sorgten. Und, wie wir heute wissen, langfristig nicht nur dort. 

Das also ist Innovation.

Der Ort war Lyon, die Zeiten schwer. Französische Revolution, Kolonialismus, Beginn der Industrialisierung, da wirkte viel zusammen, was zur skizzierten Innovation beitrug und ihr zum Durchbruch verhalf. Mit Fug und Recht könnte man von globalen Verwerfungen sprechen, die ein Klima der Veränderung schufen, dem sich niemand entziehen konnte. Weltweit nicht.

Auch heute liegen Umbrüche und Paradigmenwechsel in der Luft. Gefühlt zumindest. Das ist der Grund für die Renaissance von Innovation als einem Leitthema in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Wer nicht innoviert, verliert, so lautet das Mantra.

Also tut man etwas dafür, dass Innovation möglich wird. Heißt: Man schafft Orte und Atmosphären, so genannte Ökosysteme, in denen Innovationen wahrscheinlich sind. Künstliche Orte für Künstliche Intelligenz, denn darum geht es jetzt vor allem. KI ist das nächste große Ding, darin muss investiert werden. Und es wird investiert.

Zum Beispiel in Heilbronn, Baden-Württemberg. Hier wird die Innovations-Plattform Artificial Intelligence (IPAI) aufgebaut, hier befindet sich der phänomenale Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung und hier forscht Fraunhofer an Kognitiven Dienstleistungssystemen (KODIS). Der Plan sieht vor, diese und weitere Einrichtungen, die sich mit Künstlicher Intelligenz befassen, zu einem Ökosystem zu vernetzen, in dem dann systematisch und intensiv an Innovationen geforscht und gearbeitet wird. Wie das gehen soll, ist offen, wird aber derzeit in Workshops besprochen. Ist das der Weg? Man weiß es nicht.

Inzwischen werden weiter die Weichen gestellt, werden weitere Flächen beplant, weitere Gebäude errichtet, weitere Labore und Arbeitsumgebungen verfügbar gemacht.

Die neue Hülle glänzt, nun muss der Inhalt kommen: Innovation.

P.S.

Die Geschichte von Jacquard verdanke ich meinem Studium Generale an der Universität Stuttgart im Wintersemester 2022/23. Genauer dem Seminar „Vom Schachtürken bis zum Pflegeroboter. Zur Geschichte von Automatisierung und KI“ von Prof. Dr. Reinhold Bauer.

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