Verschwendung ist ein zentraler Begriff im Lean Management. Sie muss bekämpft werden, wo man ihrer habhaft wird. Doch Lean-Fans müssen jetzt stark sein: Verschwendung ist nämlich im Grunde gut. Zumindest in einem Wirtschaftssystem, wie es von dem französischen Philosophen Georges Bataille (1897 bis 1962) skizziert wurde.
In seinem Werk „Aufhebung der Ökonomie“ entwickelte Bataille eine Wirtschaftstheorie, die vielen heute geltenden Vorstellungen widerspricht. Besser: Zu widersprechen scheint.
In diesem Wirtschaftssystem stehen nämlich nicht Nutzen und gebrauchsorientierter Konsum von Gütern im Vordergrund, sondern „die reine und pure Verschwendung, die eben nicht zur produktiven Konsumtion gezählt werden kann: Ein nutzloses Verschwenden von Ressourcen, wobei jede Zweck-Mittel-Relation entzogen worden ist. Es geht rein um den Selbstzweck der Verschwendung. Ein sinnloses Vergnügen, das seine Lust geradezu aus dieser Sinnlosigkeit zieht“ (vgl. Hoffmann, S. 49).
So formuliert und interpretiert es Till Johannes Hoffmann, einer der Autoren, deren Bücher ich hier vorstellen will.
Der zweite, Gerd Bergfleth, weist darauf hin, dass eine Lesart von Verschwendung bei Bataille über unsere Interpretation als „Abfall“ (japanisch Muda) hinausweist. Danach kann die Loslösung von Kategorien wie Nutzen und Zweck ebenfalls Wert schöpfen. Man denke zum Beispiel an die Produktion (!) von Kunst, die als hochwertiges Design auch in unser ökonomisches Denken Einzug gehalten hat. Als Luxus, anders gesagt.
Auf diesen Zusammenhang hat bereits Wolf Lotter in seinem grandiosen Buch über Verschwendung hingewiesen. Ich gebe zu, dass mich dieser Ansatz lange irritiert hat. Heute bin ich darüber weg und empfehle das Buch gerne weiter.
Aber warum sollte man solche irritierenden Bücher lesen? Nun, sie präsentieren eine andere Sicht auf ein vermeintlich bekanntes, von der Lean-Community reichlich strapaziertes Phänomen.
Was im Lean-Kontext über Verschwendung geschrieben wird, wirkt manchmal so dogmatisch und stromlinienförmig, dass es geradezu reizt, es gegen den Strich zu bürsten. Querdenken kann den Geist erfrischen.
Genau das geschieht in den drei Büchern auf originelle, nicht immer leicht verdauliche Weise. Lesenswert.
Gerd Bergfleth: Theorie der Verschwendung. Einführung in Georges Batailles Antiökonomie. München: Matthes & Seitz 1985
Till Johannes Hoffmann: Verschwendung. Philosophie, Soziologie und Ökonomie des Überflusses. Frankfurt a.M., Peter Lang GmbH 2009
Wolf Lotter: Verschwendung – Wirtschaft braucht Überfluss. Die guten Seiten des Verschwendens. München, Wien: Carl Hanser Verlag 2006