Das „Ich“ in der Veränderung: Vom Kompass zum Coaching

Veränderung ist und bleibt in Unternehmen ein Megathema. Meist wird versucht, den damit verbundenen Herausforderungen auf strategischer oder zumindest organisatorischer Ebene beizukommen – der Mensch wird zum Objekt der Veränderung, nicht deren treibende Kraft. Das aber greift in vielerlei Hinsicht zu kurz.

Unternehmen sind nämlich nicht nur wirtschaftlich-technische, sondern vor allem soziale Systeme. Aus dieser Perspektive bestehen sie aus drei Dimensionen: Organisation, Teams und den Menschen, die darin arbeiten. Das Augenmerk landläufiger Change-Programme richtet sich auf die beiden Erstgenannten, das Individuum bleibt „außen vor“. Und wenn es auf der Agenda auftaucht, dann meist als Gegenstand von Führungsprozessen.

Auch darin liegt ein Grund für das Scheitern von Veränderung.

Nachhaltige Veränderung kommt nämlich auch von innen. Aus der Mitte der Organisation, aus den einzelnen Teams, aus der Persönlichkeit selbst. Die individuellen Präferenzen können Veränderung fördern oder hemmen, je nachdem. Deshalb ist es mit Sicherheit falsch, diese zu ignorieren. Tatsächlich sind alle drei genannten Dimensionen relevant. Eine Organisation kommt nur in Bewegung, wenn sich die Teams bewegen – und wenn die Menschen in diesen Teams willens und in der Lage sind, sich ebenfalls zu bewegen.

Der Ansatz, die Menschen durch externe Impulse „in Bewegung zu setzen“, hat seine Wurzeln im Behaviorismus und ist nicht mehr zeitgemäß. Der wesentlich wichtigere Veränderungsimpuls kommt von innen, aus der Persönlichkeit. Und muss Eingang in den Change-Prozess finden.

Mehr noch: Eine Veränderung wird vor allem dann unterstützt, wenn sie nicht konträr zu den Werten und Grundüberzeugungen des Individuums verläuft. Menschen müssen die Chance haben, ihre Talente und Fähigkeiten sinnvoll einbringen zu können. Sie müssen die Ziele der Veränderung nachvollziehen können und sollten in ihrem Umfeld auch mit konstruktiver Kritik Gehör finden.

Nun ist es in der Praxis aber so, dass Veränderungsimpulse meist aus dem Umfeld der Unternehmen kommen – aus den Märkten oder (vermehrt) aus Regeln und Gesetzen. Die Kunst besteht also darin, sowohl die externen als auch die internen Impulse aufzunehmen und in eine Balance zu bringen. Im übertragenen Sinne könnte man das als eine Art „Interessenausgleich“ bezeichnen. Die Interessen des Unternehmens (zur Anpassung) und des Individuums (zur Sinnhaftigkeit) werden in einen Ausgleich gebracht.

Über die Art der externen Einflüsse ist alles gesagt und muss hier nicht wiederholt werden. Digitalisierung, VUCA, you name it. Einen Blick auf die inneren, individuellen Einflüsse gewährt das so genannte LifeKompass-Programm, das von Francisca Deetz, Karl-Peter Strohmaier und Michael Hahn entwickelt wurde.

Dieses Programm nähert sich dem Thema Veränderung aus einer persönlichen Perspektive. Die Klienten des Programms erkennen oftmals, dass in ihrem Leben „etwas nicht mehr passt“ und sie aus einer gewissen Frustration heraus Schwierigkeiten haben, den für sie richtigen Weg zu finden. Methodisch orientiert sich der „Kompass“ am Käfermodell von Dr. Mirriam Prieß, das alle Lebensbereiche des Menschen betrachtet.

Liegen die Wurzeln der Unzufriedenheit im Berufsleben, so hat das eben häufig mit den dort stattfindenden (externen) Veränderungen zu tun. An dieser Stelle erfolgt, vereinfacht gesagt, der Übergang zum Coaching. Die Coaches werfen gemeinsam mit dem Coachee einen tieferen Blick auf die Ursachen: Fehlt es an der Möglichkeit, die eigenen Talente einzubringen? Stimmen die Zielvorstellungen nicht überein? Kommt der Sinn abhanden? Liegen gar Wertekonflikte vor?

Ziel dieser Fragestellungen ist es, dem Coachee dabei zu helfen, eine gute Entscheidung zu treffen: Kann ich das Thema für mich klären und weiterhin im Unternehmen bleiben? Sehe ich die Chance, mich stärker einzubringen? Oder wäre es besser, mich beruflich zu verändern?

Darin liegt ein entscheidender Schritt, nämlich der vom passiven Objekt von Führung zum selbstbestimmten Part von Coaching. Zum handelnden Agens der Veränderung.

Von Michael R. Hahn und Gerhard Spengler

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