Aufbruchssignale vom Fuß der Alb

Das Albvorland rund um Metzingen und Riederich ist eine ruhige Landschaft. Felder, Streuobstwiesen, im Hintergrund die blaue Mauer der Schwäbischen Alb. Dazwischen Dörfer und kleinere Städte, am Ortsrand ein Gewerbegebiet. Typisch für diese Region, die schweren Zeiten entgegengeht – wenn man den Schlagzeilen glaubt.

Zu viel alte Industrie, zu wenig Innovation, so gut wie keine Coolness. Tristesse allenthalben?

Ein Eindruck, der sich im Industriegebiet Brühl bei Riederich nicht erhärtet. Hier sprießen neue Firmenschilder aus dem Boden wie Pilze. Jedes Mal, wenn ich hinkomme, ist ein weiteres Schild auf ein Gebäude gepflanzt. Wo früher eine Druckerei war: NEURA. Auf dem Dach eines früheren Möbelhauses: NEURA. Die Halle einer Ex-Spedition: NEURA.

Junge Leute in schwarzen Shirts queren geschäftig die Straße, auf dem Weg von einem Gebäude zum anderen. Auf den Shirts zu lesen: „NEURA Robotics. We serve humanity“.

Der Unterschied zu vergleichbaren Orten ist augenfällig. Man spürt es förmlich: Hier geht was! Was genau geht, ist Entwicklung und Produktion kognitiver Serviceroboter, so genannter Cobots. Das Unternehmen NEURA Robotics GmbH ist Hoffnungsträger einer neuen, smarten Industrie, die man eher im Silicon Valley vermuten würde als in diesem Gewerbegebiet, umrahmt von der Zimmerei Schnitzer, einem Korallen-Outlet (was immer das ist) und der Firma Müller Bedachungen.

Ich bin nicht zufällig hier, sondern zum Gespräch verabredet mit einem der Top-Entscheider, einem erfahrenen Manager in dem noch jungen Unternehmen. Wir kennen uns von Buchprojekten.

Dieser Text führt mich hin, und die vage Idee, vielleicht wieder ein Buch zu machen über die Zukunft der Industrie – und die Industrie der Zukunft. Zukunft, die hier zu besichtigen ist. So meine Hoffnung. Dabei sollte einmal nicht von Krise die Rede sein, sondern vom Aufbruch in eine neue Ära.

Cobots sind innovative Produkte, technisch komplex und zukunftsfähig im Sinn des Wortes. Nämlich fähig, Zukunft zu schaffen.

Auf der Suche nach Anwendungen für diese Cobots sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Das Spektrum reicht von industriellen Einsätzen unterschiedlicher Art bis zu Haushalt, Gesundheit und Pflege. Deshalb müssen Entwicklung und Produktion solcher Serviceroboter höchsten Standards genügen.

Die Idee der Servicerobotik ist nicht vollkommen neu. Bereits in den späten 1980er Jahren waren erste Prototypen in der Erprobung. Über die Marktreife dieser Typen breite ich besser den Mantel des Schweigens. ChatGPT behauptet nämlich, kognitive Roboter müssten „menschenzentriert, sicher und flexibel“ sein.

Ein mir damals bekannter Roboter war nichts davon. Er musste auf dem Versuchsfeld des Institutes, an dem ich gearbeitet habe, buchstäblich „eingepfercht“ werden, um keine Gefahr für Leib und Leben darzustellen – bei Pflegerobotern nicht so gesund.

Der Hinweis, dass das einer Kreuzung aus Mattenwagen und Autoscooter ähnelnde Ungetüm viel Wucht und wenig Orientierungsvermögen besaß, mag an dieser Stelle genügen. Für die Aufgabe, liegende Patienten mit zwei Greifarmen aus dem Bett auf seinen gepolsterten Rücken zu heben und schonend zu transportieren, war der Prototyp jedenfalls ungeeignet. Er wurde ausgemustert.

Kein Vergleich zu den filigranen Gestalten heutiger Cobots, die sich geschmeidig bewegen.

Aber aller Anfang ist schwer. Das zeigt sich vor allem dann, wenn man eine Cobot-Produktion „von der Pike aus“ aufbauen und auf eine schnelle Skalierung trimmen muss. Angesichts der Erwartungen an das Produkt kann die Fähigkeit, schnell große Stückzahlen zu produzieren, entscheidend sein für den Erfolg.

Die Chancen sind da, die Risiken auch.

„To make a long story short“: Produktentstehung, Erprobung, SOP, Hochlauf, Serienproduktion, Qualitätskonzept… Vieles muss neu erfunden werden, auf dem Stand der Technik oder darüber hinaus.

Die Fabrik der Zukunft steht und fällt mit den Daten. Diese bilden nicht nur ein „Ökosystem“, sondern ein ganzes Universum, einen Datenkosmos aus Entwicklung, Betrieb, Anwendung und allen auch nur denkbaren Bereichen. Auf diesen Daten basiert die Intelligenz der Produkte und die „Smartness“ der Produktion.

Ein weites Feld – zu groß, um es hier zu beackern.

Mehr hat zu folgen, in anderer Form. Ob das dann ein Buch wird, eine Reihe von Fachartikeln oder ein multimediales Projekt: Die Zeit wird es zeigen, wir sind im Gespräch.

Mit diesen Gedanken endet mein Meeting, es ist bereits Abend.

Obwohl ein brüllheißer Julitag ist, herrscht im „Brühl“ noch reger Betrieb. Arbeit statt Baggersee. Das sieht wirklich nach Aufbruch aus – hoffentlich täuscht dieser Eindruck nicht.

Wir können Aufbrüche brauchen.

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